DIE THERAPEUTISCHE WIRKUNG VON GEMEINSCHAFT, SPIRITUALITÄT UND NATUR
14.06.2021
In unserer heutigen modernen Gesellschaft werden psychische Krankheiten wie Depressionen und Angststörungen hauptsächlich durch therapeutische Massnahmen und Interventionen, wie der Zugabe von Medikamenten gelöst. Diese wirken auf die Biochemie im Körper ein und sollen Hormone und Neurotransmitter im Körper regulieren, sodass wir zu einem Normalzustand kommen können und im Leben wieder funktionieren.
Die Zugabe von Anti-Depressiva und anderen Pharmazeutika kann Leben retten und in vielen Fällen akute Hilfe leisten, da sie tatsächlich die Biochemie im Körper verändern und emotional stabilisierend wirken.
Tiefe und tatsächliche Heilung wird jedoch von anderen Faktoren ausgelöst und in Gang gebracht.
Was stärkt uns also innerlich, baut unsere Resilienz auf und vermag sogar Traumata zu heilen?
DER SOZIALE ASPEKT VON HEILUNG
Wir Menschen sind soziale Wesen, deren Gesundheit davon abhängt, ob wir in ein starkes soziales Netzwerk eingebunden sind, in dem wir uns sicher und geborgen fühlen. Bindung und Beziehungen sind für uns nicht weniger überlebenswichtig als Nahrung, Wasser und Schlaf.
Es gab in der Geschichte einige grausame Experimente und Vorfälle, die deutlich aufzeigten, wie sehr unser Überleben von der Bindung zu anderen Menschen abhängt.
Man hat z.B herausgefunden, dass die rumänischen Waisenkinder, die nach dem Ceausescu Regime, entdeckt und einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurden, durch die Bindung zu anderen, besser ihre grausame Situation überstanden haben. Diese Kinder lebten eingepfercht, in kleinen beengten Räumen mit 40 und mehr Kindern, und oftmals mit nur 1 oder 2 Pflegepersonen. Sie waren geistig, körperlich und emotional verwahrlost und hatten dadurch starke Entwicklungsstörungen, sowohl sprachlich als auch motorisch. Man fand schließlich heraus, dass diejenigen Kinder, die ihr Bettchen mit einem anderen teilen konnten, weniger davon betroffen waren.
Das Waisenkinder-Experiment, das u.a. von Friedrich II. durchgeführt wurde, zeigte ebenfalls, dass wir Menschen mehr als Nahrung brauchen. In diesem Experiment separierte er Waisenkinder von Geburt an und liess nur zu, dass sie ausschließlich Nahrung bekamen. Es gab keine Fürsorge und niemand sprach mit ihnen. Durch dieses Experiment versuchte er die Ursprache herauszufinden, indem man die Kindern nicht mit Sprache und Zuwendung in Berührung brachte. Die mangelnde Zuwendung führte schließlich dazu, dass sie starben.
Das, was wir als Menschen, ob als Kinder oder im Erwachsenenalter, am meisten ersehnen, ist Wertschätzung und die Anerkennung anderer Menschen. Wenn wir Anderen Beistand leisten in schwierigen Phasen, vermitteln wir ihm, dass wir ihn sehen und er wichtig ist. Bedeutsamkeit und Wirksamkeit sind Bedürfnisse, die unabhängig von Alter, Geschlecht und Status immer in uns präsent sind. Frühere Generationen waren sehr viel stärker eingebunden in ein Netzwerk. Da es früher keine Psychotherapeuten und Psychiater gab, waren der Clan, das Dorf oder die Kirche wichtige Anlaufstellen und dienten als Auffangbecken.
Unsere Vorfahren und früheren Generationen hatten nicht weniger traumatische Erlebnisse zu bewältigen als wir in der heutigen Zeit, es waren eher mehr. Umso erstaunlicher ist es, dass sie trotzdem ihr Leben wieder aufnehmen konnten. Die Gemeinschaft und Großfamilien, in die sie eingebettet waren, konnten im großen Maße emotional regulierend wirken und stark zur Heilung beitragen.
Nun fällt heute vielfach das Leben in Großfamilien weg, viele kennen noch nicht einmal mehr Cousins, Cousinen, Tanten und Onkels bzw. Großtanten und Großonkels. Was heute nicht mehr die Familie leisten muss, können durchaus auch andere soziale Netzwerke tun. Es ist nur wichtig, den Wert, den diese stiften, zu erkennen und als Ort der Regulation und Stabilisierung zu erkennen.
DER SPIRITUELLE ASPEKT VON HEILUNG
Die Abkehr von der traditionellen Kirche und Religion, verwundert nicht, da Dogmatisierung, Ausgrenzung und religiöse Kriege Menschen abschrecken und einengen.
Der Glaube kann nur dann stärkend wirken, wenn er im spirituellen Sinne verstanden wird und weniger im traditionellen und dogmatischen Sinn, wo es darum geht Menschen und Gesellschaften zum Funktionieren zu bringen. Man muss nicht religiös sein, um spirituell zu leben.
Ein zentraler Aspekt von Spiritualität ist das Gefühl eines Eingebettet Sein in eine höhere kosmische Ordnung und das Gefühl des Verbundensein. Dass etwas Größeres und nicht in Wort und Bild Fassbares existiert, das uns Sinn und Führung verleiht.
Modere empirische Forschungen können mittlerweile durch bildgebende Verfahren demonstrieren, dass Menschen, die meditieren oder beten unterschiedliche Hirnregionen aktivieren.
Des Weiteren zeigt sich in Umfragen sehr deutlich, dass ein spirituelles Lebensgefühl das Wohlbefinden, sowohl körperlich auch auch psychisch steigert. Veröffentlichte Studien der Psychologin Mira Kammer oder der Medizinerin Anna Maselko zeigten ebenfalls, dass spirituelle Menschen gelassener reagieren und sich nach Stress und Belastungen besser entspannen können. Sie neigen seltener zu Depressionen und engagieren sich häufiger sozial. In den USA sind daher Spiritualität häufig integraler Teil von medizinischen und psychotherapeutischen Ausbildungen.
DER ÖKOLOGISCHE ASPEKT VON HEILUNG
Ein großes Problem unserer Zeit ist die Luftverschmutzung, die Verunreinigung von Wasser sowie die Pestizid-Belastung unserer Böden. Dieses Problem ist nicht neu und bekannt.
Was Politik und unsere Gesellschaft noch nicht in völliger Gänze erkennen ist, dass körperliche Krankheiten im direkten Zusammenhang mit der ökologischen Krise stehen. Die Lichtverschmutzung in Städten wirkt sich beispielsweise negativ auf unseren Melatonin - Haushalt aus, was dazu führt, dass Schlafprobleme auftreten und zunehmen. Wenn der Mensch nicht ausreichend und tief genug schläft, führt das zwangsläufig dazu, dass die Selbstheilungskräfte des Menschen gestört werden und auch psychische Erkrankungen wie Ängste und Depressionen zunehmen. Die Luftverschmutzung, durch die Pestizidbelastung der Äcker sowie die Zunahme an Feinstaub in den Städten führen dazu, dass Lungen- und Atemerkrankungen zunehmen und auch die Krebsrate steigt. Wenn unser Körpersystem gestört ist, kommt es auch zu Störungen im hormonellen Bereich, wodurch nicht mehr ausreichend stärkende Hormone und Neurotransmitter, wie Serotonin, Dopamin und Endorphine gebildet werden, was ebenfalls zu einem Anstieg an psychischen Problemen führt.
Der Biologe und Gesundheitsökologe Clemens Arvay sagt in einem Interview, dass die Zerstörung von Natur und Umwelt, stark im Zusammenhang steht mit Erkrankungen. Er sagt: „Es gibt zahlreiche Zusammenhänge zwischen Umweltfaktoren und Krebserkrankungen, sodass Krebs auch als Ausdruck einer gestörten Mensch-Umwelt Beziehung gesehen werden kann. Damit meine ich nicht, dass wir zu wenig Bäume umarmen, sondern dass wir mit der Natur zerstörerisch umgehen und Schadstoffe in die Welt setzen, die dann auf uns zurückwirken.“
Was brauchen wir Menschen nun, um geistig-emotional und körperliche gesund zu sein?
Wir brauchen mehr Grünflächen und weniger Schadstoffbelastungen. Regelmäßige Aufenthalte in der Natur stärken zudem unsere Immunität, weil durch den direkten Kontakt zur Natur bioaktive Substanzen, die wir durch die Luft einatmen, mehr natürliche Killerzellen produzieren. Clemens Arvay nennnt zudem auch noch zwei andere Komponenten: Natürliche Boden-Mirkoben, die wir bei einem Waldspaziergang einatmen und unser Immunsystem trainieren, sowie Elektro-Aerosole, die nach Regengüssen im Wald oder bei Wasserfällen auftreten und unsere Schleimhäute benetzen, wodurch ebenfalls Erreger abgewehrt werden.
Diese drei Komponenten, starke Netzwerke und wahre Solidarität, Spiritualität und Naturverbundenheit, haben den stärksten therapeutischen Effekt. Wenn man bedenkt, dass in unserer modernen westlichen Welt, genau jene Pfeiler immer mehr und mehr ausgehebelt werden, wundert es kaum noch, dass so vieles aus dem Lot geraten ist und wir uns mit Pandemien und Klimazerstörung auseinandersetzen müssen. Wollen wir diese so dringlichen Probleme klären, müssen vor allem diese drei Pfeiler wieder stärken.
Quellen:
Gehirn & Geist Nr.3 /2011,
Natur & heilen April 4/2021,
Oprah Winfrey, Dr. Bruce D. Perry: What happend to you? Conversations on Trauma, Resilience and Healing, 2021
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