WAS HINTER CHRONISCHEM STRESS, BEZIEHUNGSPROBLEMEN UND ÜBERFORDERUNG STECKT
14.05.2021
Mit einer PTBS ( Posttraumatische Belastungsstörung) oder KPTBS (Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung) verbinden die meisten Menschen schwerwiegende Erfahrungen und dramatische Ereignisse. Dabei ist dieses Symptom weit aus verbreiteter als wir denken. Während hinter einer PTBS tatsächlich ein Schock oder schwerwiegendes Trauma, das durch ein spezielles Ereignis oder eine längere schwierige emotionale Phase, wie es bei Soldaten, Flüchtlingen oder Menschen im Krieg der Fall ist, ausgelöst wurde, so ist die komplexe PTBS, keine offizielle psychologische Diagnose, sondern eher ein Konstrukt, um etwas zu beschreiben. Viele wissen nicht, dass sich hinter ihren Krankheitssymptomen und psychischen Belastungen eine stressbedingte Belastungsstörung verbirgt.
PTBS und die komplexe PTBS sind häufig der Grund dafür, warum sich viele Menschen derzeit in einem akuten Erschöpfungs- Überforderungs- oder Krankheitszustand befinden. Denn den meisten Krankheiten geht oft ein dauerhaft erhöhtes Stresslevel voraus, das nicht nur unser Immunsystem schwächt und uns psychisch krank macht, sondern auch andere Krankheitsbilder fördert.
Woran erkennt man eine PTBS oder Komplexe PTBS?
Bei einer PTBS reagiert man in der Regel auf bestimmte Trigger wie Geräusche, Gerüche oder Bilder. Eine komplexe PTBS zeigt sich,
Dann ist die Wahrscheinlichkeit groß oder zumindest vorhanden, dass du es mit einer komplexen PTBS zu tun hast. Wie bereits beschrieben, müssen keine dramatischen Ereignisse oder schwerer Missbrauch durch die Eltern oder andere Personen stattgefunden haben. Allerdings können bereits Armut und (selbst leichter) Alkoholismus in der Familie ebenfalls zu ungünstigen Bedingungen führen. Wenn wir auf Stress nicht angemessen reagieren können und uns permanent in einem Kampf-Flucht oder Erstarrungszustand befinden, wenn wir uns häufig erschöpft, gereizt oder überfordert fühlen, so können die Gründe in einer KPTBS begründet liegen. Was kann dazu führen, dass man eine KPTBS entwickelt?
1. MANGELNDE FÄHIGKEIT DER REGULATION
Die wenigsten von uns hatten Eltern, die ihre Kinder angemessen emotional regulieren konnten. Das liegt unter anderem daran, dass sie sich selbst nicht regulieren können oder konnten, weil auch sie es nie gelernt haben von ihren Eltern. Außerdem kursierten Fehlinformationen, die Eltern bezogen auf die Erziehung ihrer Kinder hatten. Früher war es durchaus üblich und völlig normal, Kinder schreien zu lassen. Die dadurch entstandene fehlende Fähigkeit der Regulation, führt dazu, dass wir auch im Erwachsenenalter nicht in der Lage sind, uns selbst zu regulieren. Unser Gehirn befindet sich neurologisch quasi noch in der Vergangenheit. Durch die schwierigen Ereignisse unserer Kindheit, haben sich Verschaltungen gebildet, die nach wie vor in unserem Unterbewusstsein gespeichert sind. Dadurch springt bei Stress oder anderen bestimmten Triggern sofort das sympathische Nervensystem an, das mit unserem Kampf-Flucht- oder Erstarrungsprogramm (K-F-E) verbunden ist. Das dadurch ausgeschüttete Adrenalin und Cortisol schränkt unsere psychische Belastungsfähigkeit ein und/oder schwächt unsere Körpersysteme.
2. FAMILIÄRES CHAOS, ÜBERFORDERUNG UND UNZUREICHENDE EMOTIONALE FÜRSORGE DER ELTERN
Mangelnde Präsenz und Aufmerksamkeit, Vernachlässigung und emotionale Überforderung von Müttern und Vätern sind weitere Gründe dafür, dass unser Stressprogramm zu schnell und zu häufig anspringt und wir auch als Erwachsene nicht in der Lage sind, auf Stressoren angemessen zu reagieren, weil unbewusst das K-F-E Programm läuft.
3. VERERBTE UND TRANSGENERATIONALE TRAUMATA
Man hat inzwischen durch Forschungen heraus gefunden, dass sich Erfahrungen, vor allem nicht aufgearbeitete traumatische Erfahrungen, an nachfolgende Generationen weitervererben. Das bedeutet, wir speichern die Erfahrungen und PTBS unserer Vorfahren.
Anzeichen für PTBS können Hyper-Wachsamkeit sein, sich in ständiger Alarmbereitschaft befinden, Schreckhaftigkeit, leichter Schlaf oder die Tendenz zur Schlaflosigkeit. Es kann sich aber auch darin äußern, dass wir häufig Beziehungskonflikte haben, Probleme Emotionen zu verarbeiten oder angemessen damit umzugehen. Diese Stressoren schwächen unser Nervensystem, da der Sympathikus, unser K-F-E, aktiviert. Wenn der Sympathikus permanent anspringt und der Ausgleich vom Parasymphatikus fehlt, also dem Entspannungsprogramm, kommt es zu dauerhaften körperlichen oder psychischen Störungen oder allgemein Erschöpfungszuständen.
Die wichtigste Frage, die wir uns dazu stellen müssen, lautet daher:
Wie können wir einen entspannten Zustand im Körper herstellen oder beibehalten, während wir einer herausfordernden Tätigkeit nachgehen oder uns in intensiven Situationen befinden, ohne das unser Stressprogramm, das K-F-E anspringt?
Es gibt unterschiedliche Übungen und Tätigkeiten, die wir täglich in unseren Alltag integrieren könne, damit wir den Parasympathikus (Entstpannungszustand) stärken und den Sympathikus ruhig stellen können.
Es gibt unzählige weitere noch nicht genannte Methoden und Übungen, die ich hier aufgrund der Kürze des Artikels nicht nennen kann. In jedem Fall geht es aber darum, dass wir uns als Menschheit gerade an einem Punkt befinden, an dem wir eine neue Einstellung und einen anderen Umgang mit Stress und menschlichen Beziehungen brauchen. Es geht um eine neue Art des Denkens und der Alltagspraxis. In den letzten 10-20 Jahren sind so viel neue und noch unbekannte Stressoren dazugekommen, dass wir einen neuen und bewussteren Umgang mit unserem Alltagsleben (im Beruf, mit Beziehungen und anderen Gewohnheiten) brauchen. Auch müssen wir Stigmata wie „Was stimmt mit dir nicht“ oder „Er/Sie ist kaputt oder gebrochen“ loslassen und erkennen, dass wir alle in der einen oder anderen Form davon betroffen sind, auch wenn wir eine scheinbar gute Kindheit hatten und in der Gesellschaft irgendwie funktionieren. Mitgefühl, Offenheit und eine neue Wahrnehmung werden uns helfen, dieses Thema in den kommenden Monaten und Jahren zu bewältigen und Strategien zu entwickeln, wie wir lernen können anders auf Stress zu reagieren und Beziehungskonflikte besser lösen können. Auch brauchen wir Systeme, die um die Funktion von Trauma und KPTBS wissen und gezielt anders reagieren auf Schüler, Teamkollegen, Arbeitnehmer, Familienmitglieder, Nachbarn und Fremde oder Freunde.
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